Hubert Straßl
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Hubert Straßl

Tendenz zum Perfektionismus
von Jörg Weigand


Wenn ein deutschsprachiger Autor der Unterhaltungsliteratur nicht nur – durchaus übliche – Übersetzungen seiner Romane in europäische Sprachen wie Holländisch, Italienisch oder Dänisch, sondern auch ins amerikanische Englisch vorweisen kann, dann kann das nicht nur an seiner virtuosen Verwendung einschlägiger Klischees und Versatzstücke liegen, er muss mehr aufzuweisen haben: etwa Originalität seiner Ideen und Plots.

Hubert Straßl, geboren am 4. Februar 1941 im österreichischen Linz, ist ein Beispiel für solche Unterhaltungsautoren, die mehr in ihre Romane einbringen als lediglich routiniert konstruierte Spannung. Die Palette der von ihm abgedeckten Themengebiete reicht von der Science Fiction über Fantasy und Horror bis zum Kurzkrimi; dazu – sozusagen als Broterwerb – zusammen mit seiner Frau Lore eine breit angelegte Übersetzertätigkeit.

Straßl begann schon in seiner Studienzeit – er hatte sich für Englisch, Deutsch und Mathematik fürs Lehramt eingeschrieben -, zu schreiben, redigierte und edierte ein Fan-Magazin für Science-Fiction-Liebhaber. 1967 erschien die erste professionelle Veröffentlichung in Form einer Story-Sammlung, die Straßl unter dem Pseudonym »Madman Curry« zusammen mit »Peter Danner« (Nikolai Stockhammer) verfaßt hatte. Es folgten einige Science-Fiction-Romane, teils unter eigenem Namen, teils unter seinem später sehr bekannt gewordenen Pseudonym Hugh Walker.

Straßls Anliegen ist nicht die Weitergabe einer »Botschaft« eines Weltverbesserers oder Eiferers, er begnügt sich damit, den Leser gut zu unterhalten, ihm Welten vorzustellen, in die er sich hineindenken oder auch »hineinängstigen« kann. Eines seiner beliebtesten Themen ist der Vampirmythos. Mich fasziniert, sagt Straßl, dass nach dem Tod bei den Vampiren nicht alles aus ist. Das ist eine Legende, gewiss, doch befriedigender als religiöse Aspekte, zumindest für mich. Ich bin ziemlich pragmatisch eingestellt, ich denke. dass nach dem Tod alles aus ist. Die Vampire dagegen leben auch nach dem Tod weiter. Eine Legende halt. Dazu kommt vielleicht noch, daß ich eine Sympathie für absurde Geschöpfe habe, oder sagen wir: für Geschöpfe, die schwächer sind als die Menschen. So wie viele aussterbende Arten im Augenblick. Für mich ist der Vampir auch eine Kreatur, die auf die Liste der aussterbenden Arten gehört.

Dieser Eindruck kommt dem Leser auch bei der Lektüre der Horrorromane von Straßl/Walker: Dass da nämlich ein Autor seinen täglichen Horror literarisch auslebt, ihn beim Schreiben verarbeitet und ihn so katalysiert an seine Fans weitergibt. Es ist Horror, oft in kleinen Dosen serviert, doch hautnah aufgetragen, die Wirkung ist so noch intensiver.

Horrorelemente spielen auch eine Rolle in jenem Bereich der Unterhaltungsliteratur, in der Straßl zuerst einige Bekanntheit erlangte: in der Fantasy. Hier debütierte er 1975 mit dem ersten Roman aus der Welt der Magier und Heroen, »Magira«. Ausgehend von einem strategischen Brettspiel, das eine fantasybegeisterte Spielergruppe bereits im Jahr 1967 entworfen und dann über die Jahre kontinuierlich fortgeführt hatte, schuf Straßl einen Romanzvklus von großer Eindringlichkeit, dessen Originalität so groß war, dass Übersetzungen in den USA folgten. Straßl selbst bezeichnet diese Werke als »historische Romane« aus einer Fantasy-Welt. Und in der Tat ist diese imaginäre Welt von einer beeindruckenden Genauigkeit in der Konstruktion, der über 160 Seiten an Regeln, Spiel- und Bauanleitungen zugrunde liegen. Da heißt es:

Nicht nur spielen solche Dinge wie Topographie, Klima. Vegetationszonen und Jahreszeiten eine wichtige strategische Rolle. sondern darüber hinaus schafft jeder Spieler für die Bewohner seines Reiches eine Geschichte, Kultur und Religion, die an Kulturen der Vergangenheit angelehnt sein können.

Straßl selbst sagt über »Magira«: Der historische Ablauf der Welt und des Spiels ist leicht auf einen Nenner zu bringen, der auch der Realität entspricht: Ringen um Macht. Aber es sind nicht allein die Spieler, die ringen, Könige – es sind auch noch geheimnisvolle Mächte daran beteiligt. Im Spiel sind das die Würfel.

Ungeachtet der Tatsache, daß der Romanzyklus auf diesem Spiel beruht, hat Straßl unter seinem Pseudonym Hugh Walker etwas durchaus Eigenständiges geschaffen, das gilt auch heute noch, im Rückblick. Und das gilt auch noch, gerade weil der Autor ein etwas verändertes Verständnis von Fantasy besitzt als der Durchschnittsleser: Fantasy ist Fluchtliteratur, das war der ewige Vorwurf. Ich sehe heute, dass das weitgehend stimmt, wenn man sich anschaut, was da veröffentlicht wird. Es geht immer um irgendwelche Götter, die sich streiten und die Menschen müssen dann darunter leiden. Ich denke, dass man mit der Fantasy wesentlich mehr machen kann, indem man Realitätsbezogenheit in die Fantasy hineinbringt, um ein paar Sachen auszudrücken, die man auf anderem Wege nicht so leicht darstellen kann.

Hubert Straßl bezeichnet sich als Perfektionisten. Er hätte in seinem bisherigen Schriftstellerdasein sicherlich mehr veröffentlichen können, wäre er nicht so darauf erpicht gewesen, stilistisch und inhaltlich immer wieder aufs Neue über bereits Vorhandenes zu gehen und zu korrigieren, zu verbessern. Angebote von Verlagsseite gab es genug.

Eine relativ seltene Erscheinung im Unterhaltungsgeschäft, dieser Hubert Straßl der sich lieber damit begnügt, Sklavenarbeit als Übersetzer zu leisten als eigene, noch nicht zur Perfektion gereifte Texte zu veröffentlichen. Wann seine x-te Überarbeitung von Magira fertiggestellt bzw. fortgeschrieben sein wird, weiß er wohl selbst nicht.

Aber seine Fans warten bereits sehnlichst darauf.

Aus: JÖRG WEIGAND: DAS WEITE FELD DER FANTASIE

Der Band Jörg Weigand DAS WEITE FELD DER PHANTASIE ist 1996 erschienen und enthält 111 Aufsätze über phantastische Literatur und ihre Autoren in Deutschland. Er ist zu beziehen bei: EDFC e.V., Postfach 1371, D-93003 Passau.